Es ist Sonntag, der 17.06.2018. Ich wache auf und freue mich riesig auf meinen ersten Triathlon in diesem Jahr. Auch ein Freund von mir startet heute – das erste Mal auf der Olympischen Distanz. Nur zu gut kann ich seine Nervosität nachempfinden, mir selbst ging es ja vor nicht allzu langer Zeit genauso: Nicht sicher, was mein Körper in der Wettkampfsituation leisten kann, unsicher über Vorgänge und Abläufe beim Start der Disziplinen und in den Wechselzonen. Inzwischen habe ich da eine gewisse Routine bekommen, doch alle Routine half mir bei diesem Wettkampf nichts. Von Schmerzen bis zur Disqualifizierung war alles dabei.
Familie als Unterstützung
Normalerweise habe ich bei den Wettkämpfen meine Freundin dabei, dieses Mal war alles anders. Fast habe ich mich wieder wie ein kleiner Junge gefühlt. Denn beim letzten Mal, als mein Vater mir beim Fußballspielen zugeschaut hat, da war ich acht oder neun Jahre alt. Ich war immer eher das Kind, bei dem sich alle fragten, wo denn wohl die Eltern sind. Ich habe mich also wahnsinnig darüber gefreut, meinen Bruder und meine Schwester dabei zu haben, die mich unterstützten. Auch meine Follower auf Instagram sehe ich inzwischen als meine kleine Sport-Familie, der ich beweisen will, was in mir steckt. Das treibt mich an. Zum Beispiel Sarah, die fünf Minuten vor mir gestartet ist. Eigentlich war mein Plan, auf dem Rad ein bisschen Zeit rauszufahren und dann ein Stück mit ihr zusammen zu laufen – leider blieb es bei dem Plan.
Das Schwimmen
Inzwischen bin ich was das Schwimmen angeht, abgehärteter. Mir macht es nichts mehr aus, mal einen Schlag ins Gesicht zu bekommen oder wenn mich jemand an den Füßen berührt. Inzwischen bin ich sogar eher derjenige, der nicht ausweicht und einfach seinen Stil weiterschwimmt.
Ich habe mich gleich links positioniert, denn da wird das Wasser schnell tiefer, man kann sofort mit dem Schwimmen loslegen und vergeudet nicht so viel Zeit damit, durch das Wasser zu laufen. Nach ein paar Hundert Metern finde ich eine gute Gruppe. Wir schwimmen ein ähnliches Tempo. Doch nach knapp 600 Metern werden sie langsamer und ich ziehe vorbei. Zwei Schwimmrunden mit jeweils 750m muss ich absolvieren – dazwischen gut 100m Landgang. Ganz Sportsmann will ich die Strecke im Sprint hinter mich bringen. Das klappt auch ganz gut. Doch als ich, wieder im Wasser, das erste Mal atmen will, fährt mir ein stechender Schmerz unter die Rippen. „Alles gut, das war nur ein Zufall, das geht gleich wieder weg“, denke ich mir noch. Schon nach 30 Sekunden ist mir klar, dass es nicht vorbei geht. Nein, es wird sogar schlimmer. Ich versuche, meinen Puls runterzubekommen, versuche nur rechts zu atmen. Normalerweise atme ich links und jetzt merke ich, wie nachteilig es ist, ein Gewohnheitstier zu sein. Mit der Rechtsatmung komme ich nicht wirklich klar, das wirkt sich natürlich auf meinen Stil aus.
Selbstzweifel
Mir gehen alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Angefangen bei „was soll der Mist hier?“ über „warum tust du dir das an?“ bis zu „ich muss abbrechen, ich schaffe das nicht mehr“. Alle paar Sekunden das Gefühl, als würde mir jemand mit einem Messer zwischen den Rippen herumstochern. Ich überlege, ob die ganzen Leute DAMALS recht hatten, als sie meinten ich würde nie Triathlet werden. Ich könne ja nicht einmal richtig schwimmen und würde gnadenlos untergehen. Doch als ich in die Wechselzone komme und das nach 33 Minuten, sind diese Zweifel weg. Die Zeit ist für meinen Zustand wirklich nicht schlecht. Außerdem waren auch noch einige Räder von Leuten aus meiner Gruppe da. Doch trotzdem habe ich bestimmt drei Minuten verloren. Damit ist Sarah weg, sie ist schnell im Wasser, doch wirklich einschätzen kann man das nicht. Also rauf aufs Rad und los.
Sichtlich angeschlagen
Auf dem Rad wird es wieder besser
Das Radfahren
Ich richte mich auf dem Rad ein: mache meine Schuhe fest und finde meine Position. Die ersten Windschattenfahrer machen sich breit. Das Fahren im Windschatten ist gerade beim Radfahren ein gern genutztes Mittel, um Kraft zu sparen. Mich allerdings macht es wahnsinnig, schließlich soll es doch gerecht zugehen. Beim Versuch, etwas zu trinken, ist der Schmerz sofort wieder da. „Alles klar, du hast noch Zeit, du musst jetzt noch nichts trinken“, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Also gebe ich mir noch ein bisschen Zeit. Ich will doch einfach nur ein gutes Rennen fahren. Und tatsächlich läuft das Radfahren so gut, dass ich sehr viele überholen kann und nach einer gewissen Zeit ein unwahrscheinliches Glücksgefühl gespürt habe. Ein solcher Endorphin-Ausstoß passiert bei mir äußerst selten und treibt mich dadurch noch viel weiter an. Langsam breitet sich die Gänsehaut aus – vom Nacken über den ganzen Körper, gefühlt bis über den Kopf. Dankbarkeit kommt mir in den Sinn: ich bin dankbar für das Fahrrad, dankbar, dass ich meinen Körper in meiner Jugend doch nicht völlig ruiniert habe und dankbar, dass ich diesen Sport auf so einem Niveau ausüben kann.
In diesem Moment nehme ich mir fest vor, Scott zu schreiben und ihnen zu dem geilen Fahrrad zu gratulieren, das sie gebaut haben. Schon lustig was manchmal einem da durch den Kopf geht!
Doch der Wasserverlust macht mir langsam zu schaffen, denn trinken geht noch immer nicht schmerzfrei.
Wechsel zum Laufen
In der Wechselzone erlebe ich etwas völlig Neues. Alle meine Nachbarn, die mit mir zusammen ins Wasser sind, sind noch immer auf der Radstrecke. Aus meiner Gruppe stelle ich mein Bike das als erster ab. Die Anfeuerungen der Zuschauer machen den Wassermangel ein bisschen wieder gut, sodass ich kurzzeitig mein Lachen wiederfinde. Beim siebten Kilometer wird mir klar „hier stimmt etwas ganz und gar nicht“. Ich fühle mich wahnsinnig erschöpft und wie auf Entzug. Mir wird schlecht, ich fühle mich, als müsste ich mich übergeben. Aber das Ziel ist nah und ich will einfach nicht aufhören zu laufen. Ich kämpfe mich weiter. Bei Kilometer neun sehe ich das Ziel und bin wieder massiv irritiert, eigentlich müsste die Laufstrecke 10,3km lang sein. Egal ich laufe durch das Ziel und habe mich erstmal hingelegt. Sofort habe ich die Entspannung in den Rippen gespürt. Ein Richter kommt zu mir und empfiehlt mir, ein bisschen zu gehen. Ich aber will einfach nur liegen bleiben.
Halluzinationen durch Wassermangel
Ich liege da und bin felsenfest davon überzeugt, disqualifiziert worden zu sein. Immerhin hat mir ein Kilometer gefehlt. Ich bin so davon überzeugt, dass ich es sogar auf Instagram stelle. Erst nach ca. einer halben Stunde und Dutzenden Beteuerungen, dass alles ok ist, glaube ich es langsam. Richtig klar wird es mir dann aber erst im Auto auf dem Heimweg, als ich die Wertungsliste einsehen kann und ich meinen Namen finde. Schon interessant, wie sehr unser Gehirn Flüssigkeit benötigt.
Rückblick
Heute kann ich mit einer gewissen Distanz auf das Rennen zurückblicken: ich habe eine neue Schmerzgrenze erfahren, gemerkt, dass ich selbst unter starken körperlichen Beeinträchtigungen noch recht leistungsfähig sein kann und erfahren, wie sehr die Anfeuerungen des Publikums pushen.
Aufgeben war zwar ganz kurz eine Option aber nach einem kurzen Darüber-Nachdenken dann auch nicht mehr wirklich. Ich habe mich zum Start entschlossen und dann gibt es keine Diskussion, ich muss da durch. Im Triathlon steht man als Einzelkämpfer. Da gibt es kein „Trainer, wechsel mich aus, ich kann nicht mehr“. Genau diese Grenzerfahrungen sind es, für die ich meinen Sport liebe.
Alex Gloël leitet unseren Vertrieb in der Region München und macht nebenberuflich als Triathlet dem Namen WEKU alle Ehre. Immer mal wieder wird er hier über sein Training, Wettkämpfe und den Sport allgemein schreiben.